Interview mit Jutta Wilbertz

✽•*¨*•๑✿๑★ Autoreninterview ★๑✿๑•*¨*•✽

1. Wer ist Jutta Wilbertz? Magst du dich mal kurz vorstellen?

Ich bin Jutta Wilbertz, Krimiautorin und Musikkabarettistin. Geboren in Dorsten, Studium in Gießen und Rom, seit über 35 Jahren begeisterte Wahlkölnerin und fast genauso lange verheiratet mit Thomas, Künstler und Musiker. Unsere Tochter ist erwachsen und lebt in Berlin.
Ich schreibe, singe und bin mit meinen Bühnenprogrammen deutschlandweit unterwegs – mal mit witzig-bösen Krimilesungen und bösen Songs, mal mit meinem Musikkabarett-Duo Wilbertz & Kunz. Ich trete meistens solo mit Buch und Ukulele auf, stehe aber genauso gerne mit anderen auf der Bühne – ob mit Thomas an der Gitarre, Norman von Wilbertz & Kunz am Klavier oder mit tollen Krimikolleg*innen. Da ich mit drei Schwestern aufgewachsen bin, in einem Elternhaus, dessen Türen für jeden weit offenstanden, fühle ich mich in freundschaftlichen Rudeln ausgesprochen wohl!
Dementsprechend bin ich bei den Mörderischen Schwestern e.V., im Syndikat und gehöre zum wachsenden Netzwerk der Celler Schule (Textdichterstipendium GEMA-Stiftung). Wenn ich nicht unterwegs bin, probe oder am Schreibtisch sitze, mache ich mit einem geliehenem Hund Spaziergänge am Rhein, wühle im Gemeinschaftsgarten oder treffe mich mit Freundinnen. Thomas und ich lernen Tango tanzen, teilen unsere Leidenschaft für Italien und Frankreich und hocken gerne bei Film- und Serienmarathons mit Chips und Bier auf dem Sofa.

2. Die wohl meist gestellte Frage: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Im Kindergarten habe ich eifrig Buchcover für die Bücher gemalt, die ich später schreiben wollte: Mädchen mit schwarzem Pony, Mädchen mit geflecktem Pony, Mädchen mit braunem Pony. Mein Berufswunsch war dementsprechend Ponyzüchterin und Autorin. Seit meinem elften Lebensjahr führe ich Tagebuch und in der Schule schrieb ich Geschichten. Am liebsten aber stand ich singend und schauspielernd auf der Bühne (Theater-AG, Chor). Das bestimmte meinen weiteren Lebensweg (Studium Theaterwissenschaft, Freies Theater, Bands etc.). In Bezug aufs Schreiben wurde ich leider immer schüchterner, irgendwann war ich nur noch die Bühnenkünstlerin, die die Inhalte anderer vortrug – etwas Eigenes schreiben und vortragen kam mir vermessen vor.
Gottseidank hat sich das Schreiben auf Dauer nicht unterdrücken lassen …es kam wieder, ganz vorsichtig … mit eigenen Songs, Chansons und Bühnendialogen, alles für den Live-Auftritt. Und dann platzte der Knoten: ich wurde von einer Freundin zum Stammtisch der Mörderischen Schwestern e.V. mitgeschleppt, erfuhr dort von einer Ausschreibung für Kurzkrimis, machte mit – und war zu meiner eigenen Verblüffung plötzlich veröffentlichte Krimiautorin. Seitdem ist Schreiben und Auftreten meine große Leidenschaft, viele Jahre nebenberuflich, seit einigen Jahren endlich hauptberuflich – und dafür bin ich sehr dankbar!

3. Hast du einen festen Schreibtisch? Beweisfoto!

Ja, und er ist riesig! Ich brauche viel Platz!

4. Warum schreibst du hauptsächlich nur Krimikurzgeschichten für Anthologien?Hast du außer Krimi Kurzgeschichten auch schon einen Roman geschrieben?

Ich liebe die kurze Form, schreibe gerne auf eine Pointe hin, sei es in Kurzkrimis, Satiren oder in Liedern. Und ich liebe es, vorzutragen – kurze Texte eignen sich hervorragend für Bühnenprogramme, da das Publikum von Anfang bis zum Ende mitfiebern kann. Oft denke ich schon beim Schreiben meiner Texte an den späteren Vortrag.
ABER: ich schreibe nicht nur Kurzkrimis sondern habe soeben meinen ersten Roman beendet (Arbeitstitel: Unter Hühnern – wird bald diversen Verlagen angeboten).
Es ist kein Kriminalroman im klassischen Sinn, sondern geht in Richtung Suspense … mit heiterem Unterton, aber auch zunehmend beunruhigend und düster. Man könnte es als „Dramödie“ bezeichnen, eine Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit.
Komplexe Figuren erschaffen, sich ein interessantes Ambiente ausdenken, langsam immer mehr Spannung aufbauen, falsche Fährten legen und die abstrusen Gedankengänge und peinlichen Fehlgriffe meiner Heldin genüsslich schildern … all das hat mir großen Spaß gemacht.
Ich liebe alle drei Facetten des Schreibens: Im Kurzkrimi komme ich schnell auf den Punkt, in meinen Liedtexten kreiere ich ein Konzentrat in Reimen und Rhythmen und im Roman kann ich wunderbar und in aller Ruhe meine Geschichte ausspinnen und meine Heldin zu Wort kommen lassen. Band II ist in Planung.

5. Wie lange hast du an dem eigenen veröffentlichen Buch  “Upps – tot: Kurzkrimis & böse Songsgearbeitet?

Ich wurde auf meinen Lesungen oft gefragt, warum es denn keine komplette Sammlung meiner Kurzkrimis gäbe. Irgendwann habe ich mich dann einfach hingesetzt und meine Lieblingsgeschichten aus diversen Anthologien zusammen gesucht und selbst noch einmal veröffentlicht – das ging recht fix. Die älteren habe ich in Bezug auf Modernität ein wenig überarbeitet – wer weiß denn heute noch, wie man sich Dias sortiert? „Upps Tot“ ist also ein Best-of meiner über viele Jahre hinweg geschriebenen Kurzkrimis und Texte. Da ich ständig weiter in Anthologien veröffentliche und neue Songs schreibe, gehe ich nun bald den nächsten Band an.

6. Wenn Du eine traurige, witzige oder spannende Szene schreibst, fühlst du dann mit?

Wenn ich im Schreibflow bin, möchte ich vor allem das, was ich sagen will, so gut wie möglich rüber bringen. Das heißt, ich fühle nicht mit, sondern denke über die Wortwahl nach, über den Erzählrhythmus, die innere Logik, die Situationen … es ist, als ob meine Figuren und ich gemeinsam überlegen: okay, wie ziehen wir denn jetzt die Leserschaft hinein in diese unsere Geschichte? Denn meine Protagonisten und Antagonisten sind höchst lebendig und machen auch mal gerne ganz andere Vorschläge als ich …
Und so sitze ich am Schreibtisch und kichere vor mich hin. Oder denke: „Ach herrjeh, wo kommt das denn jetzt her, will ich wirklich so gemein sein?“ Und dann antwortet meine Figur heroisch: „Jawohl, lass mich sterben, das muss so sein. Für die Spannung! Fürs Publikum!“

7. Stell dir vor, du schreibst deine Autobiographie. Wie lautet dein Eröffnungssatz?

„Ich soll eine Autobiographie schreiben, herrjeh, wie fang ich die denn nur an, für welchen ersten Satz soll ich mich bloß entscheiden, der muss doch sofort die Leserschaft in ihren Bann ziehen, so wie bei Kafkas „Verwandlung“, wobei ich ja noch nie als Ungeziefer aufgewacht bin, eher als Schnecke (so fühl ich mich jedenfalls, bevor ich meinen ersten Kaffee intus habe), gut, das ist natürlich nicht besonders originell und ich höre jetzt lieber auf, sonst liest eh keiner mein Buch, viel zu anstrengend.“

8. Was ist bis jetzt der Schönste Moment in Deiner bisherigen Zeit als Autorin gewesen?

Wenn ich die wunderbaren Momente auf der Bühne bei Seite lasse und ich mich als reine Autorin sehe, dann freue ich mich, wenn ich „nur“ durch meine Texte (ohne eigene Präsenz) überzeugen kann. Das war z.B. der Fall, als ich den 1. Ostfriesischen Kurzkrimipreis gewonnen habe. Oder wenn ich wunderbare Besprechungen und zufriedene Kommentare über meine Kurzkrimis im Internet lesen darf. Schön ist es auch, wenn sich Menschen durch meine Storys auf einer tieferen Ebene angesprochen fühlen, die Schicht unterhalb des Humors bemerken. Jemand hat meine Texte als „Vordergründig humorvoll, aber nachhaltig tiefsinnig“ bezeichnet und das ist für mich ein wunderbares Kompliment. Um es mal überspitzt auszudrücken: Humoristen*innen werden oft für oberflächliche Frohnaturen gehalten – aber gerade Humor bietet eine wunderbare Möglichkeit, in die menschlichen Tiefen zu tauchen und sich durch den Humor als Rettungsballon wieder mit nach oben ziehen zu lassen …

9. Ist dir Kritik von deinen Lesern wichtig und wie gehst du damit um?

Ein respektvolles, konstruktives Feedback ist mir im Prozess wichtig und willkommen. Mein Roman hatte in verschiedenen Phasen Testleser*innen, die mir wertvollen Input gaben und mir geholfen haben, mein Werk zu verbessern, – manchmal ist man ja einfach betriebsblind. Wenn die Texte erst veröffentlicht sind, gibt es zwar nichts mehr zu verändern und zu verbessern  – aber ich freue mich generell über eine Resonanz. Auf der Bühne habe ich das ja unmittelbar, spüre, ob die Leute mitgehen und ob sie Spaß haben. Beim Bücherlesen ist das anders, darum freue ich mich, wenn irgendwo da draußen jemand meine Texte liest und ich erfahre, wie es ihm oder ihr gefallen hat.

10. Und nun die letzte Frage: Was ist die älteste Sache, die du besitzt und die du immer noch täglich im Gebrauch hast? 

Da ich gerne viel zu viel aufbewahre, kann ich das gar nicht so genau sagen. Spontan fällt mir meine große, gelbe Tasse ein, die ich 1984 in Rom im Supermarkt „Standa“ (gegenüber der Wohnung meines damaligen Freundes) erstanden habe und aus der ich immer noch ab und zu Cappuccino trinke. Und ja, meine erste Gitarre, die ist noch älter!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert